Faultierblog

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Ein Märchen aus alten Zeiten

Innen - Zimmer - Tag

Diese ersten Zeilen aus dem "Lied der Lore-Ley" von Heinrich Heine kehren an diesem Tag immer wieder in meinen Kopf, und sie wirken so schwer und modrig, als hätten sie Heines Feder 1824 verlassen um dann heute endlich bei mir anzukommen. Ich kannte das Gedicht durch die Schule und es begegnete mir später noch einmal in einem Kurs meines ersten Studiums. Heute also las ich es zum dritten Mal in meinem Leben. Ich konnte mich noch erinnern um was es letztendlich ging, aber die genauen Zeilen waren mir entfallen.

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.

Wow. Ausgerechnet heute erinnert sich mein Unterbewusstsein an dieses Gedicht und lässt es den ganzen Tag über wirken. In der ersten Strophe ist von einem "Märchen aus alten Zeiten" die Rede. Für mich begann die Woche gestern nicht viel besser, als sie aufhörte. Meine wöchentliche Therapiesitzung - ich fiebere eigentlich fast jede Woche diesem Tag entgegen - war so verworren, dass wir eine halbe Stunde überzogen, um mich halbwegs wieder zu ordnen. Trotzdem hinterließ das alles mehr Fragen, als das es Antworten gab. Nachdem mein Puls seit Stunden nicht mehr unter 120 gefallen war, streikte mein Aufzeichnungsgerät und schaltete erst dann wieder auf "betrieb", als die Nacht und Medikamente mich zu beruhigen zu begannen.
Einen Tag später fragt sich dann mein, noch immer nach Antworten suchendes Gehirn, was es eigentlich zu bedeuten hat, dass ich so traurig bin. Jetzt bitte ich euch mal, die erste Strophe fertig zu lesen. So arbeitet mein Hirn! Ich habe mich aus dem nichts heraus an die ersten beiden Zeilen erinnert, welche mich zu den nächsten zwei leiteten. Das Märchen, an das sich der Autor erinnert ist in meinem Fall, das Gedicht selbst. In der Informatik würde man von einer Rekursion sprechen. Das Gedicht, hat sich durch diese zwei Zeilen "Code" selbst aufgerufen.
So sollte heute eigentlich ein Freudentag sein. Das beste Patenkind auf dieser Erde hat heute Geburtstag und es ist Weltfrauentag. Natürlich geht es auch im Gedicht um eine Frau, wenn auch leider nicht sehr schmeichelhaft. Es muss aber nicht um eine Frau gehen.

Das Zitat rechts hatte Guido Westerwelle 2001 auf einem Parteitag der FDP kämpferisch, aufgrund eines Disputs mit Jürgen Möllemann, ins Mikrofon geschrieen. Mit eben diesem Steuermann sollte die FDP 10 Jahre später - man verzeihe mir den makaberen Vergleich - mindestens genauso schnell und tief fallen, wie einst Jürgen Möllemann.
Dieser eine zu sein, der die Sache - mein Leben - regelt, das Gefühl habe ich seit Monaten nicht mehr.

Die Depression sitzt oben auf dem Gipfel und singt ihr schaurig schönes Lied. Das lässt mich nicht los, und so steuer ich auch auf diesen Felsen zu. Die Frage ist : Werden die Wellen am Ende den Schiffer und den Kahn verschlingen, so wie es in dem Märchen aus alten Zeiten der Fall ist?
Es geht ja auch um Liebe in diesem Gedicht. Vielleicht kam es mir auch deshalb in den Sinn. Nichts ist kraftraubender für einen Boxer, als ins Leere zu schlagen. Duckt sich der Gegner geschickt weg, gibt es keine Möglichkeit, dass die Energie des Schlags absorbiert wird. Luftlöcher schlagen, sehr anstrengend. Auch Liebe, die nicht angenommen werden kann, keinen Adressaten findet, ist kraftraubend und schmerzlich. So kann auch diese Liebe in den Felswänden verhallen, während das Schiff langsam aber sicher auf den Felsen steuert.

Letztendlich bleibt aber diese eine Frage : "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten...."

 

Es grüßt herzlich

Das Faultier