Nicht den Fokus verlieren
INNEN - KLINIK - TAG
Die Gute Seele der Station
Die Tür des Büros geht auf und mich lächelt eine kleine, zierliche Person mit blonden, schulterlangen Haaren und einem breiten Lachen an. Sie stellt sich mir als meine Co - Therapeutin vor und wird mit mir den Therapieplan besprechen. Als Erstes aber möchte sie ein Foto von mir machen. Für die Patientenakte. Dafür hat sie eine kleine Digitalkamera. Nach 3 Bildern und einem mürrischen Blick, sagt sie schließlich :“Herr Faultier, es tut mir schrecklich leid, aber ich bekomme sie einfach nicht scharf und unscharf möchte ich sie auch nicht in die Akte übernehmen.“ „Das gibt es doch nicht. Ich und nicht scharf? Da kann etwas nicht stimmen“, entgegne ich keck. Ich soll ein Foto von ihr machen. Ich weiß eigentlich schon wo der Fehler liegt. Ich nehme trotzdem die Kamera, drücke den Auslöser halb durch, bis das Objektiv fokussiert hat und drücke dann komplett durch. Die Folge: Ein gestochen scharfes Foto meiner Co - Therapeutin. „Schauen sie mal, sie sind sogar in der Realität UND auf dem Foto scharf“ Großes Gelächter, eine kurze Erklärung, wie sie mich auch scharf bekommt und dann ist das Foto aktenkundig.
Jetzt geht es ans Eingemachte. Sie ist die erste Person, der ich in der Klinik erkläre, warum ich hier bin und wie so mein Krankheitsverlauf die letzten Monate war. Sie istzwar die erste, aber bei weitem nicht die letzte Person. Es werden noch knapp neun weitere Folgen. Nach der neunten Person werde ich mich fühlen, wie in der Störungs-Hotline eines Kommunikation - Providers meiner Wahl. Ich erzähle immer wieder einer anderen Person von meinem Problem, es wird aufgeschrieben, aber die nächste Stelle weiß dann trotzdem nichts mehr davon, oder „erfährt es lieber noch einmal von mir selbst, in meinen eigenen Worten“
Der heutige Tag steht ganz im Zeichnen der Aufnahmeuntersuchungen. Ich erkläre, dass ich ziemlichen Schiss vor der ärztlichen Aufnahme und dem Blutabnehmen habe. Ich schwitze stark und rutsche nervös auf meinem Stuhl hin und her. Ihre Worte beruhigen mich nicht wirklich, setzen an der falschen Stelle im Hirn an und betreffen nicht mein Problem. Ansonsten ist das Gespräch freundlich, ich bekomme alles erklärt und werde dann im Verlauf doch ruhiger. Sie wird die Ansprechperson sein, wenn es Probleme im Ablauf gibt, Probleme mit der Bezugstherapeutin oder ein kurzes, aufbauendes Gespräch erforderlich ist. Außerdem wird sie zwei mal die Woche für eine halbe Stunde eine Progressive Muskelrelaxation anleiten.
Der endschleuniger oder der Opi dem die Patienten vertrauen
Auf dem Weg zum nächsten Termin habe ich mich direkt schon verlaufen und komme daher etwas später zu meiner ärztlichen Aufnahme (Wie ich die letzten Wochen beobachten konnte, scheint das sehr vielen zu passieren und so sieht man den Arzt oft pfeifend den Flur entlang schlendern oder in seinem Türrahmen stehen). Das steigert meine Nervosität nur noch mehr und die Anspannung steigt linear mit.
In der Tür zum Behandlungszimmer steht ein gut gelaunter älterer Herr, der mich hineinbittet. Meinen Papierkram kann ichauf den Tisch legen und ich werde erst mal nach meiner Befindlichkeit gefragt. Ihm werde ich auch noch mal erklären, was mich so hierher führt. Danach gehen wir die Unterlagen durch, die ich vorher ausfüllen musste, besprechen Vorerkrankungen etc. . Da sitzt nun ein ganz ruhiger älterer Mann vor mir, der eine große Gelassenheit und Erfahrung ausstrahlt. Wie ich später erfahre, macht er nur diese Untersuchungen und ich werde ihn tatsächlich nie wieder in medizinischen Dingen sehen in meiner Zeit hier. Das bestärkt meine Annahme, dass er eigentlich schon im Ruhestand ist und hier noch ein Betätigungsfeld hat. Er ist mit seiner Art für diese Position auf jeden Fall bestens besetzt. Auf meine Bedenken, was die Untersuchungen angeht, antwortet er freundlich lächelnd : „ 26 Jahre, noch nie operiert worden und die Ergebnisse bei mir sind auch alle gut. Da wird überhaupt nichts bei rauskommen, da bin ich mir sicher.“ Hab ich schon öfter gehört, aber noch nie hat es mich so beruhigt wie jetzt. Ich darf mich ausziehen, werde abgehört, meine Kniee mit einem Hammer bearbeitet, sodass der Unterschenkel lustig nach oben saust und ich darf gehen. Einmal auf den Zehenspitzen, dann auf den Versen und dann auf nem Strich. Um das Bild einer Alkoholkontrolle komplett zu machen, muss ich auch meine Augen schließen und meine Nase mit den Fingern berühren. Als letztes auf einem Bein stehen und dann war es das. Von dieser Seite ist also alles ok. Ich werde an allem Teilnehmen können, was angeboten wird. Es gibt keine körperlichen Einschränkungen, die das verhindern würden. Am Ende gebe ich meine mitgebrachten Medikamente bei ihm ab. Wir beide Unterschrieben, dass ich sie abgegeben habe und ich sie am Ende meines Aufenthalts wieder bekomme. Das war es. Der nächste Termin auf meinem Plan ist das Mittagessen. „Ungefährlich“, denk ich mir und mache mich auf den Weg.
Es grüßt herzlich