INNEN - ZIMMER - ABENDS

Das Abendessen ist verspeist und ich habe mich zurückgezogen. Vor Jahren habe ich eine Thermoskanne gekauft und so gut wie nie verwendet. Ursprünglich war sie für Kaffee in der Uni gedacht. Das habe ich zwei bis drei mal dafür genutzt und sie dann nie wieder verwendet. Jetzt soll diese Kanne ein Revival erleben, indem ich mir darin abends den Tee auf meinem Zimmer warm halte. Die Teebeutel habe ich heute Mittag schon aus der sogenannten Lounge, welche den Privatpatienten zur Verfügung steht, besorgt und heißes Wasser kann man auf dem Flur abzapfen. Der Teebeutel hängt nun also im heißen Wasser in meiner Thermoskanne und wartet darauf, herausgeholt zu werden. Mein neues Macbook ist schon aufgeklappt und Pages ist gestartet. Ich möchte ein wenig an meinem Artikel über dieses neue Macbook schreiben, ehe ich nachher noch mit meiner besten und engsten Freundin über Facetime telefoniere. Sie ist die einzige Person, die ich aus der Klinik heraus kontaktiert habe, mit Ausnahme meiner Eltern, um zu sagen, dass ich soweit gut zurecht komme und zunächst Zeit für mich brauche.

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Krankenhausatmosphäre vs. Erholung

Begrüßt wurde ich vor zwei Tagen von einer Frau, die für die Unterbringung der Privatpatienten in der Klinik zuständig ist. Sie führte mich auf mein Zimmer und erklärte mir alles. "Da es immer noch ein Krankenhaus ist, sind bestimmte Vorkehrungen leider notwendig", so die freundliche Dame. Dazu gehört das Alarmsystem auf dem Flur. Dieses gibt im Notfall ein audiovisuelles Signal aus. Alle 3 Meter hängt so ein Display mit Lautsprecher von der Decke und dort erscheint dann die Nummer des Zimmers, von welchem aus der Notfall aktiviert wurde. Wie kann man dieses System nun aktivieren? Sie deutete auf einen kleinen Kasten direkt neben der Tür, der einen roten und einen grünen Knopf hat. Rot für Alarm und grün um ihn wieder aufzuheben. Drückt man schnell genug nach fälschlichem alarmieren den grünen Knopf, wird man nur kurz angerufen um zu bestätigen, dass alles ok ist, sodass nicht das komplette Rettungsteam plötzlich im Zimmer steht. Ein weiterer roter Knopf ist an der Wand zum Bett. Dort kann aber nicht entschärft werden. Und im Bad hängt zwischen Dusche und Toilette eine große rote Schnur, die bis auf den Boden ragt und sich dort zusammenringelt. Diese Schnur ist nicht für die Spülung der Toilette, wird mir beigebracht. "Wenn das eine der ersten Dinge ist, die ich hier lerne, müssen das vor mir schon einige Leute verwechselt haben", denke ich mir. Diese Schnur darf auch nicht aufgewickelt werden, sie muss bis zum Boden ragen. "Na gut, lasse ich sie eben", denke ich, muss aber dennoch über diese überlange Schnur schmunzeln. Was ist daran schon so schlimm?

Warum zwei Beine einfach besser sind

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Der Tee ist mittlerweile getrunken und das Facetimegespräch beendet. Jetzt wäre es Zeit sich ins Bett zu legen und noch ein bisschen Podcasts zu hören. Ich klappe daher mein Macbook zu, schiebe meinen Stuhl etwas zurück und merke ein kribbeln in meinem linken Bein. Da ich mir dabei aber nicht viel denke, stehe ich auf um im selben Moment auch schon nicht mehr zu stehen, sondern auf dem Boden zu liegen. Was war passiert?

Mein linkes Bein war während des Telefonats wohl eingeschlafen und als ich es belasten wollte, versagte jegliches Gefühl in meinem Bein und es knickte unter mir weg. Das hatte zur Folge, dass ich krachend zu Boden ging und neben der Couch landete. Plötzlich kam das fehlende Gefühl wieder zurück und signalisierte mir einen ziemlich großen Schmerz im Knöchel meines linken Fußes. Dieser Schmerz war so groß, dass ich nicht aufstehen konnte. "Großartig! Vor zwei Tagen noch über die lange, rote Schnur im Bad geschmunzelt und jetzt musst du da hinrobben, weil du zu blöd warst um zu merken, dass dein Bein eingeschlafen ist. Es wäre viel zu peinlich, dafür den Alarm auszulösen", denke ich mir und bleibe daher für's Erste liegen. "Ich warte erst mal ein paar Minuten und wenn es dann immer noch nicht besser ist, muss ich eben robben."
Ich bleibe also eine Weile dort liegen warte, bis der Schmerz etwas nachlässt. Dieser lässt tatsächlich nach einiger Zeit etwas nach und ich versuche aufzustehen, was mir dieses mal auch gelingt, ohne direkt wieder hinzufallen. Das Bein ist scheinbar aufgewacht, meine Nachbarn sicher auch - durch den Lärm, den mein Sturz verursacht hat. Das linke Bein voll zu belasten ist dennoch keine gute Idee, da der Knöchel immer noch höllisch schmerzt. Ich hüpfe daher durch das Zimmer ins Bad, mache mich fertig und lege mich ins Bett. Das Einschlafen ist allerdings so eine Sache. Der Knöchel pocht noch ordentlich, sodass entspannen etwas schwer fällt. Ibuprofen gegen die Schmerzen kann ich nicht nehmen, da man alle Medikamente zuhause lassen sollte. Es gilt das Verbot für Selbstmedikation. Ein Verstoß kann zum Rauswurf führen, was ich nicht riskieren wollte.

Die medizinische Zentrale

Der Plan ist nun also, sich wieder anzuziehen und in den ersten Stock zur medizinischen Zentrale zu humpeln, um dort Schmerzmittel für die Nacht zu bekommen.
Ich ziehe mich also an und will das Zimmer verlassen. Dazu schaue ich auf meinen Schreibtisch, um nach der Zimmerkarte zu greifen. Das Problem ist nur, dass dort keine Zimmerkarte liegt. "Wo ist nur diese scheiß Karte hin", fluche ich und suche alle Winkel des Zimmers ab. Ich schaue in jede Hose, im Bett und sogar im Safe - nichts. Die Karte ist verschollen. Mangels Zimmerkarte ziehe ich mich wieder aus, lege mich in mein Bett und versuche das Pochen in meinem Knöchel zu ignorieren.

 

Alles eine Frage der Perspektive

INNEN - ZIMMER - MORGENS

Ich wache mit einem schmerzenden Knönchel wieder auf und frage mich, wie man nur so blöd sein kann, mit einem eingeschlafenen Bein aufstehen zu wollen und dann auch noch seine Zimmerkarte zu verlegen. Als ich so in meinem Bett liege und mich ärgere, sehe etwas unter Couch. Mir wird es plötzlich ganz warm und realisiere, dass das meine Zimmerkarte sein muss. Ich wette mit mir selbst, dass ich sie in der hinteren Hosentasche hatte und sie mir beim Sturz aus selbiger gefallen war - direkt unter die Couch. Dort hatte ich natürlich nicht nachgesehen. Na wenigstens kann ich mich nun auf den Weg zur medizinischen Zentrale machen und ein paar Schmerzmittel bekommen.

INNEN - MEDIZINISCHE ZENTRALE - MORGENS

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An einem Sonntag sind nur die armen Studenten vor Ort, die die Medikamente ausgeben, aufschreiben wer alles noch lebt und sich daher erfolgreich bis 11 Uhr zurückgemeldet hat, und ein Notfallteam. Einfach so bekommt man natürlich keine Schmerzmittel. Also schildere ich, was passiert ist. Die Augen der Studentin fangen an größer zu werden und ihr Mund zuckt verdächtigt. Ich gehe davon aus, dass sie sich gerade ziemlich zusammenreißen muss, um nicht zu lachen. Kurze Zeit später ist sie aber wieder recht ernst, will mein Gelenk sehen, stellt fest, dass es dick ist und ruft die diensthabende Ärztin an, die dieses Wochenende aber im Haupthaus Dienst hat. Aufgrund meiner temporären Gehbehinderung, wird sie hierherkommen. Ich werde daher eine gute Dreiviertelstunde hier warten müssen - toll.
Als sie endlich da ist, stellt sie fest, dass das Gelenk dick ist, sich bewegen lässt, man aber auf Nummer sicher gehen möchte."Bitte nicht", denk ich mir, als sie aber schon fleißig eine Überweisung für das Krankenhaus ausfüllt. Das Gelenk solle geröntgt werden. Die Studentin ruft mir ein Taxi und los geht es.

 

Wenn die Technik Wochenende hat

INNEN - KRANKENHAUS - MITTAGS

Im Krankenhaus angekommen, soll ich am Empfang meine Versicherungskarte zeigen. Da wir in einem Krankenhaus sind und ich eine private Zusatzversicherung besitze, zücke ich meine Karte dieser Versicherung. Die deutlich ältere Dame am Schalter starrt mich verwirrt an und gibt dann zu, dass sie so etwas hier noch nicht hatte. Sie sitze hier nur an Wochenenden als Aushilfe. Super! Sie telefoniert, während sich hinter mir die Leute stapeln. Mir fängt es an unangenehm zu werden und ich schlage vor, doch eifach die Gesetzliche zu nehmen. Nein, sie wolle das jetzt machen, könnte aber dauern, weswegen sie die anderen Personen erst mal zuerst bearbeitet.

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Nachdem diese Anmeldung langwieriger und auch schwieriger war, als die Befragung der U.S. Customs and Border Protection (Keyword für den NSA-Bot) im Januar, sitze ich nun endlich im Wartezimmer. Ich hielt das Krankenhaus aus meiner Heimatstadt bisher immer für provinziell. Im Gegensatz zu dieser Einrichtung, glänzt es aber geradezu.
Der Arzt sieht sich nun also den Fuß an und erklärt, dass er es röntgen möchte. "NEEEEIIIN, ehrlich?", würde ich am liebsten in meinem sarkastischsten Ton überhaupt rufen, reiße mich aber zusammen. Es sind ja inzwischen nur eineinhalb Stunden vergangen hier. Zum röntgen muss man in den ersten Stock.
Hier im Wartezimmer treffe ich auch zwei bekannte Gesichter aus dem Wartezimmer im Erdgeschoss wieder. Die waren ungefähr 20 Minuten vor mir bei dem Arzt und sitzen immer noch hier. Das mutet mir doch etwas seltsam an, wenn ich ehrlich bin. Ich komme mit dem Paar ins Gespräch und erfahre, dass die Frau vollgepackt eine Kellertreppe herunter gefallen war und wohl noch Glück hatte, dass nur ihr Schulter völlig demoliert wurde. Das ist aber schon zwei Monate her, die Schmerzen kamen aber wieder, weshalb sie jetzt hier sitzen. Langsam wird auch ihr Mann unruhig und geht auf den Fluren mal auf die Suche nach Personal.
Als er zurückkommt, hat er auch tatsächlich Jemanden gefunden. Hier wusste man nichts von röntgen, oder Patienten, die im Wartezimmer sitzen. Es wird also erst mal Licht im Behandlungszimmer gemacht und darauf hingewiesen, dass das Gerät noch nicht an ist und erst hochfahren muss. Das ist dann der Moment, in dem man sich langsam beginnt umzuschauen, ob man nicht versteckte Kameras findet.
Der Rest läuft reibungslos. Röntgen -> feststellen, dass nichts schlimmes ist (welch Wunder...) -> Fuß mit Salbe einreiben und verbinden -> Taxi rufen und zurück in die Klinik fahren.

INNEN - MEDIZINISCHE ZENTRALE - MITTAGS

Ich lege den Befund des Arztes aus dem Krankenhaus der Medizinstudentin vor und bekomme meine Ibuprofen. "Mensch, das ging ja fix. Insgesamt nur vier Stunden, radioaktive Strahlung und unnötige Behandlungskosten später, kann ich mit meinen Ibuprofen 800 in mein Zimmer humpeln". Der rest des Sonntags wird jetzt seinen üblichen, langweiligen Weg gehen. Ich werde mich in mein Bett legen, den Fuß hochlegen und mir auf Netflix eine Serie aussuchen. Hoffentlich überlasten meine Nachbarn nicht den WLAN-Acces-Point im Flur, ansonsten wird es ein äußerst ruckliges Erlebnis. Heute Abend dann wieder Abendessen und zurück ins Bett. Morgen steht dann auch das erste mal für die kommende Woche die "Visite" an. Wie die so ablaufen wird, berichte ich in einem der nächsten Beiträge.

 

Es grüßt herzlich

Das Faultier

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