Eine Trennung die schwerfällt
"Oh dear... wie fange ich nur an?" Diese Frage stellt sich mir bei jedem neuen Beitrag, aber dieses Mal fällt es mir richtig schwer. Wie soll ich all das, was ich ausdrücken möchte, in diesen Beitrag bekommen?
INNEN-ZIMMER-ABEND
Das Faultier liegt in seinem Bett und hängt seinen Gedanken nach. Vor zwei Stunden kam es nach Hause."Nur noch kurz hinlegen, bevor gleich der Wahnsinn beginnt", hatte es sich gedacht. Nun überkommt es Trägheit und Schwermut. Es ist der 05.07.2018, 18:45 Uhr und die ersten Personen fragen schon einmal nach, wo das Faultier denn bleibt. Heute ist der Tag, an dem der Abschied gefeiert werden soll. Freunde waren eingeladen, für Alkohol hatte es am Vortag schon gesorgt, ihn zum Ort des Geschehens gefahren und kalt gestellt. Alles war also bereit für die letzte Karaokeparty der Fachschaft für das Faultier. Alles, bis auf das Faultier selbst, welches jetzt versichert, dass es gleich kommt, sobald es unter die Dusche gehüpft ist und sich etwas gescheites angezogen hat.
So war das. Es waren turbulente Wochen im Juni und es reifte in mir der Entschluss, dass ich der Universität nun endgültig den Rücken kehren muss. Mitte Juni war für mich klar, dass ich an keinem weiteren landesweiten Fußballturnier für die Fachschaft mehr teilnehmen möchte. Man schlug mir vor, dass ich ja weiterhin mitfahren könne aber nicht mitspielen müsse. Aber als "Podolski der Fachschaft" möchte ich dann auch nicht mitfahren. Mir war die Lust gehörig vergangen. Als ich in diesem Zuge alles zu überdenken begann, kam ich zu dem Entschluss, dass nach zweieinhalb Jahren, in denen ich mit der Uni eigentlich nichts mehr zu tun hatte, ein Schnitt kommen muss, bevor es am Ende noch peinlich wird. Das ist allerdings leichter gesagt, als getan. 2012 kam ich, frisch mit dem Schauspielstudium fertig, in diese schöne Stadt und begann 2013 hier an der Uni ein Studium. Es war eine komplett andere Welt, als die, die ich vorher kannte und ich musste mich zunächst einmal an die Menge introvertierter, und doch auch aufgeschlossener Personen in diesem Studiengang gewöhnen. Allerdings fiel es mir nicht sonderlich schwer, Kontakte zu knüpfen. Schon in der ersten Vorlesung des Vorkurses hatte ich innerhalb weniger Minuten Kontakt hergestellt. Während vorne ältere Fachschaftsmitglieder versuchten, die "Neuen" einzuschüchtern, indem es einen angeblichen Test gab, hörte ich hinter mir, wie ein Mädel zu einem anderen sagte:"Das ist doch nur Theater". Daraufhin murmelte ich, offenbar etwas laut, "Das ist eher eine Beleidigung für's Theater" und schon waren im Gespräch. Mit dieser Mädelsgruppe ging ich den ganzen Vorkurs über Essen und in die Übungen. Es trug sich auch am ersten Abend des Vorkurses zu, dass ich in einer Wohnheimbar lautstark ein Kickermatch kommentierte. Eine gewisse Person mit Hut und mich verbindet dieses Erlebnis bis heute. So kam ich auch in die Fachschaft, half in meinem zweiten Semester bei den Veranstaltungen im Vorkurs mit und ab dem dritten Semester war ich gewähltes Mitglied und unternahm viel mit diesen Menschen.
In diesem Frühjahr leitete ich nun meine letzte Gruppe bei einer Kneipentour. Es machte mir immer sehr viel Spaß den Erstsemestern die guten Ecken der Stadt zu zeigen und ins Gespräch zu kommen. Meine letzte Kneipentourgruppe habe ich mit einer Person geleitet, die ich vor vier Jahren selbst in einer Gruppe bei ihrem ersten Vorkurs hatte und die mittlerweile zu einer guten und wichtigen Freundin geworden ist. Vielen Dank für die schönen Momente und ausgiebigen Gespräche, wahlweise auch viel Tratsch.
Was ich jetzt allerdings auch zu spüren bekommen habe, ist der Fakt, dass ich wohl doch alt werde. Zu alt. Seit zweieinhalb Jahren habe ich an der Uni nichts mehr zu suchen, komme aber dennoch immer wieder die Partys besuchen, lege Musik auf oder helfe bei Veranstaltungen. Und das habe ich gerne getan! Ich habe mich gefreut, die Leute ab und zu wieder zu sehen und helfen zu können. Als meine Depressionen begannen, spielte ich mit dem Gedanken, aus der Fachschaft auszutreten. Ich war gerade wieder gewählt worden und zwei Wochen später kam mir der Gedanke, dass mich alles überfordert. Ich besprach das mit meiner damaligen Freundin und bekam diese Antwort: "Also dich ohne die Fachschaft, das kann ich mir nicht vorstellen." An diesem Satz ist viel Wahres dran. Mit Freude denke ich zurück an das legendäre Sommerfest 2015, als eine Gruppe unerschrockener Fachschaftsmitglieder loszog um dafür einzukaufen. Man drückte uns zwei Zettel in die Hand, die wir brav abarbeiteten. Wir hatten Mühe genügend Erdbeeren in diesem Supermarkt aufzutreiben und luden einen Wagen nach dem anderen voll. Richtig viel. Aber wir dachten uns nichts dabei, schließlich stand alles auf den zwei Zetteln und getreu dem Motto "Einmal hin, alles drin" kauften wir ein. Das Bezahlen sollte sich als Happening für mehrere Kassierer plus Supervisor herausstellen. Während die Kassiererin mit den Erdbeeren zu kämpfen hatte und den Verdacht äußerte, dass wir falsch gewogen hatten, rasselte der Gesamtbetrag immer weiter in die Höhe. Keiner der Kassierer wusste, was passieren würde, wenn die Kasse den magischen Betrag von 1000€ überschreiten wird. Er sollte weit überschritten werden, sodass wir noch zusätzlich Geld ziehen mussten. Als wir dann schließlich an der Uni ankamen und stolz präsentierten, was wir gekauft hatten, fiel eine Person, die zuständig für die Finanzen war, fast in Ohnmacht. Die zwei Zettel stellten sich einmal als Einkaufszettel und der andere als Bestandsliste heraus. Wir hatten also den gesamten Bestand noch einmal eingekauft, was uns einen partyreichen Sommer und Winter bescherte, da das Zeugs ja auch wieder weg musste.
Ein paar Impressionen aus den letzten Jahren:
Auch an die Montage und Mittwoche in den Wohnheimbars denke ich gerne zurück. Das Angebot 6 Schnäpse für 5€ machten so manchen Donnerstagmorgen zur Qual. Da half es, die meisten Übungsleiter zu kennen, die dann auch mal beide Augen zudrückten, wenn das Aufstehen doch zu schwer fiel oder die Abgabe des Übungsblattes etwas verspätet im Abgabekasten landete. Generell ist es immer von Vorteil sich ein Netzwerk an Personen aufzubauen und dieses zu pflegen. Man sieht sich immer zweimal im Leben und man weiß nie, wozu frühere Begegnungen noch führen können. So waren es im Sommer 2016 auch meine alten Kontakte an der Uni, die mir die Rückkehr nach einem halben Jahr Abwesenheit wieder so überraschend einfach gemacht haben. Zwei Wochen nach meiner Rückkehr nahm ich an einem Beachvolleyball-Turnier teil und einen Monat später legte ich Musik auf dem Sommerfest auf. In diesem Jahr richtete unsere Uni auch das jährliche Fußballturnier aus und so durfte ich dort auf der Playersparty zusammen mit einem Freund Musik auflegen. Drei Monate zuvor galt ich noch als schwer Depressiv und verließ kaum mein Bett! Ohne die Kontakte und Freundschaften wäre ich wohl nicht so gut wieder angekommen.
Es sollten noch schöne zwei Jahre mit den immer gleichen Fixpunkten und Kollegen werden, von denen viele zu Freunden wurden.
Nun aber war es an der Zeit zu gehen. Der ausschlaggebende Punkt für meinen radikalen Schlussstrich war leider nicht erfreulich, aber wenigstens war es für etwas gut: Die ganze Geschichte öffnete mir die Augen, mittlerweile ein gewisses Alter erreicht zu haben und dass ich nicht mehr so wirklich dort herein passe. Ein letztes mal aber wollte ich noch mal zu Gast sein. Und was könnte besser zu mir passen, als ein Karaoke-Abend? Also sagte ich recht kurzfristig ein paar Freunden bescheid, die mich die letzten Jahre dort begleitet haben, kaufte Getränke ein und suchte mir Lieder für besagten Abend heraus.
INNEN-SEMINARRAUM-ABEND
Der Raum ist bis in die letzte Ecke gefüllt, die "Bühne" dieses mal sogar mit einer Lichterkette geschmückt und das Faultier schenkt gerade Wein aus. Auch der Dozent, der heute extra wegen eines speziellen Liedes des Faultiers gekommen ist, bekommt einen guten Becher voll. Vorne singt gerade die Person, die seit ein paar Semestern unermüdlich diese Karaokeabende möglich macht und das Faultier ist, wie immer, fasziniert von der Kopfstimme, die diese Person zu Tage fördern kann.
Der Abend nahm seinen Lauf und der Alkohol wurde mit vollen Händen ausgeschenkt(einige Personen, hatten zusätzlich etwas mitgebracht), sodass man immer wieder aufs Neue anstoßen konnte. Zwischendurch wurde ich etwas sentimental, was aber der oben genannter Dozent gekonnt mit seinen Geschichten und lustigen Fragen verschwinden ließ. Die gleiche Person ist auch zwei Tage vor der Klausur seines eigenen Kurses nicht zu erreichen gewesen, weil er, Zitat, "im Wald" war. Sehr cool!
Es gab eine "Tradition" bei diesen Abenden. Der Abend wurde, bis auf wenige Ausnahmen, immer mit einem bestimmten Lied geschlossen: Das ehrenwerte Haus von Udo Jürgens, gesungen von mir. Bevor es dieses Mal soweit war, es war kurz vor 2 Uhr nachts, gab es noch ein Lied, dass ich mir immer besonders gern gewünscht habe. Love the way you lie von Eminem und Rhianna. Gesungen von einem jungen Studenten, der mir erst durch diese Abende aufgefallen war. Ansonsten ein eher ruhiger, sehr bescheidener Mann, rappt wie der junge Eminem himself. Schließt man die Augen, was ich bei diesem Lied besonders gerne mache, merkt man fast keinen Unterschied zum Original. Als nächstes kündigte ein Freund an, dass er jetzt noch ein Lied extra für mich zum Abschied singen möchte: Gute Nacht Freunde von Reinhard Mey Es hätte eigentlich kein besseres Lied geben können um den Freunden und Bekannten in diesem Fachbereich von mir Danke zu sagen. Ich hatte dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, bedankte mich noch mal bei Allen, die da waren und diesen letzten Karaoke-Abend für mich zu einem unvergesslichen machten und begann das letzte Lied des abends zu singen. Ein Abend mit vielen Freunden, Bekannten, reichlich Alkohol(von dem aber nichts! übrig blieb) und anderen netten Menschen ging zu Ende.
Der nächste Tag sollte für mich sehr ruhig werden. Ich verbrachte die Hauptzeit damit, meinem Körper beizustehen, die Folgen des gestrigen Abends so gut es ging zu nivellieren. Ich hing meinen Gedanken nach und wurde leicht melancholisch bei dem Gedanken, dass es nun tatsächlich vorbei war. Es gab allerdings noch genug zu tun. Man glaubt gar nicht, wie viele Dokumente abgestempelt werden müssen, wenn man aus einem Fachbereich ausscheiden möchte.
Eine Woche später sollte ich noch mal mit ein paar Leuten von der Uni an einem Bierpongturnier teilnehmen. Es war mein erstes Turnier und ich erwartete nicht allzu viel, hatte aber schon vor Wochen zugesagt zu kommen, brauchte allerdings noch ein Team. Ich fand schließlich einen Teampartner und gemeinsam traten wir als "Old But Gold" an und verloren das erste Gruppenspiel auch direkt recht unrühmlich. Aus unerklärlichen Gründen(oder war es der Alkohol?) wurden wir immer besser, wurden in unserer Gruppe schließlich Erster und standen im Viertelfinale. Als wir auch das gewannen, war mein Ehrgeiz geweckt. Es folgte ein spannendes Halbfinale mit Verlängerung und das anschließende Finale, dass wir schließlich auch gewannen. "Jetzt habe ich alles hier erreicht, was man erreichen kann und kann mit gutem Gewissen gehen", dachte ich mir scherzhaft. Eine kleinere Gruppe der Teilnehmer feierte anschließend noch in einem Club einen 21. Geburtstag. Das Geburtstagsmädel spendierte ein paar Pfeffirunden und als ich am nächsten Morgen aufwachte fühlte es sich richtig an. Es fühlte sich richtig an zu gehen. Vielleicht hätte man es nicht so schnell machen müssen, aber vielleicht hätte ich dann den Sprung nach weiteren zwei Jahren noch immer nicht geschafft. Das aber sind alles Spekulationen getreu nach Lothar Matthäus „Wäre, wäre Fahrradkette“. Jetzt ist die nächste Generation dran.
Ich möchte mich bei Allen bedanken, die diesen Abend so toll gemacht haben und auch bei denen, die leider nicht dabei sein konnten. Ich weiß, es war recht kurzfristig, aber man sieht sich bestimmt noch das ein oder andere Mal. Ihr wisst, wie ihr mich erreichen könnt ;)
Es grüßt herzlich