Mit dem Gesetz
soll ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen
geleistet werden und es wird ein sachgerechter Ausgleich zwischen
den Belangen psychisch kranker Menschen und den Interessen des
Staates, der die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und seine
Bürger zu schützen hat, hergestellt.
— Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz
Suizid.jpeg

Als sich im Herbst 2015 abzeichnete, dass mein fehlender Antrieb, die schlechte und getrübte Laune nicht wie aus Zauberhand wieder verschwinden wird und ich täglich einen inneren Kampf mit meiner Psyche austrug, suchte ich mir Hilfe. Man empfahl mir den Psychologischen Dienst der Universität. Parallel ging ich auch noch zu meiner Hausärztin. Es stellte sich dann recht schnell heraus, dass das Problem tiefer lag und nicht einfach so schnell behoben werden konnte. Der Psychologische Dienst machte eine Bestandsaufnahme und empfahl mir, mich an einen Psychologen zu wenden. Von meiner Ärztin wurde ich erst mal krank geschrieben, weil ich nicht mehr in der Lage war, die Pflichten eines Studiums geregelt zu bekommen. Da gab es nun die Überlegung, dass man vielleicht zunächst mal von einer außergewöhnlichen Belastung spricht. Warum? Weil psychische Erkrankungen trotz größerer Sensibilisierung in der Gesellschaft immer noch etwas stigmatisiert sind und einen Patienten schwach wirken lassen. Strebt man eine Verbeamtung an, können solche Details den Unterschied machen. Offiziell natürlich nicht!
Da man mit einer psychischen Erkrankung immer noch nicht selbstverständlich umgehen kann, wie mit Nierensteinen oder einem gebrochenen Arm, trauen sich viele Betroffene oft nicht, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auch ich habe (viel) zu lange damit gezögert und mich nicht getraut, mir und den Menschen um mich herum einzugestehen, dass ich Hilfe brauche. Jetzt hatte ich eine Depression, die zunächst Ambulant behandelt wurde. Es gibt aber Menschen, die haben eine Psychose, oder andere psychische Erkrankungen, ambulant nicht gut zu versorgen sind, weil der Patient sich und andere verletzen könnte. Diese Patienten begeben sich dann in eine psychiatrische Behandlung in einer Psychiatrie . Ein Herzinfarkt kann ambulant auch einfach schlecht versorgt werden und der Patient muss auf die Intensivstation.
Ein Gesetzentwurf in Bayern - Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - ist seit einigen Tagen in der Diskussion und Kritik. Dabei ist der Grundgedanke des Gesetzes sehr zu begrüßen.

"Ziel des Gesetzes ist es, Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen soweit wie irgend möglich zu vermeiden, die Prävention von psychischen Krisen zu stärken und Menschen in psychischen Krisen noch stärker als bislang wirksam zu unterstützen."
--https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000014000/0000014418.pdf

Was allerdings konkret in diesem Gesetzentwurf steht, ist in meinen Augen und den Augen vieler Kritiker nicht förderlich, um psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren und erhöht die Hemmschwelle für betroffene Personen, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen. So steht zum Beispiel in Kapitel 5 Art. 27 Absatz 4

"Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde, die Polizeidienststelle, in deren Zuständigkeitsbereich das Bedürfnis für die Unterbringung aufgetreten ist, und gegebenenfalls die Bewährungshilfe sind durch die Einrichtung rechtzeitig von der bevorstehenden Entlassung zu benachrichtigen. Der Kreisverwaltungsbehörde und der Polizeidienststelle sind dabei notwendige Informationen für eine Gefährdungseinschätzung zu übermitteln."
--https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000014000/0000014418.pdf

Hier wird nicht unterscheiden, ob die Unterbringung freiwillig erfolgte und ob die behandelte Person zu diesem Zeitpunkt eine Gefahr für sich selbst, nicht aber für andere Menschen darstellte. Wer bisher schon Bedenken vor einer Diagnose hatte, den wird auch Artikel 33 nicht weiter beruhigen können. Im Gegenteil: Hier ist Festgelegt, dass jede Einrichtung eine sogenannte Unterbrinngungsdatei anzulegen hat, welche Zentral gespeichert wird. Dort ist der Patient absolut gläsern. So wird vom Namen über den Familienstand bis hin zur genauen Bezeichnung der Diagnose und dem Grund der Entlassung alles festgehalten.

"Eine Übermittlung an andere Behörden, Gerichte, Stellen oder Dritte ist nur zulässig, soweit das einem der in Satz 1 genannten Zwecke dient. Soweit dies zur Erfüllung des jeweiligen Zwecks ausreicht, ist eine Übermittlung auf anonymisierte oder pseudonymisierte Daten zu beschränken. Die Fachaufsichtsbehörde hat mindestens nach fünf Jahren zu überprüfen, ob die Speicherung der Daten noch erforderlich ist."
--https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000014000/0000014418.pdf

Patientendatenblatt.jpeg

Nach fünf Jahren entscheidet also eine Fachaufsichtsbehörde darüber, ob die Daten des Patienten noch gebraucht werden. Die Frage ist allerdings: Warum braucht man diese Daten von Personen überhaupt, die nicht durch eine richterliche Anordnung öffentlich-rechtlich untergebracht wurden, sondern sich freiwillig Hilfe gesucht haben. Das kriminalisiert erkrankte Personen und schafft ein Klima des Misstrauens. Diese Akte soll von Behörden nicht einsehbar sein und demnach einer Anstellung im öffentlichen Dienst auch nicht im Wege stehen. Der Nutzen einer solchen Datei erschließt sich mir hierbei nicht.
Hätten mich meine Eltern damals nicht mit auf Geschäftsreise genommen, so wäre auch ich freiwillig(und hier meine ich freiwillig im Sinne von: Keine Zwangseinweisung) in einer Psychiatrie untergekommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich definitiv eine Gefahr für mich selbst und alles andere wäre zu gefährlich gewesen, abgesehen davon, dass die ambulante Betreuung schwierig gewesen wäre, da ich kein Auto mehr fuhr. Ein Patient, der kein enges familiäres Netz hat, oder dessen Familie diese Last und Mehrkosten nicht tragen kann, dem kann stationär sehr gut geholfen werden. Es ist aber für jeden Patienten immer eine Überwindung und mit diesem neuen Gesetz, sollte es tatsächlich in dieser Form kommen, wird die Hürde im Kopf noch mal um einiges Höher. Das definierte Ziel des Entwurfes (s.o.) wird zu Beginn kurz umrissen. Die Behörden und Einrichtungen sollen sich besser austauschen und bestimmte Präventionsmaßnahmen bekommen Geld. Die restlichen Artikel drehen sich dann nur noch darum, was bei der Unterbringung zu beachten ist, wie der Besuch geregelt wird, wann ein Zimmer durchsucht werden darf und und und. Schön finde ich auch die Einleitung, die aus A) Dem Problem besteht. Hier wird zusammengefasst, warum es eine Neuregelung braucht, B) Der Lösung Hier wird angerissen, was geändert werden soll. Und dann kommt C) Alternativen. C) ist schnell gelesen, da nur ein Wort drin steht: Keine.
Das halte ich dann doch für ein Wunschdenken der CSU. Zusammen mit dem Polizeiaufgabengesetz passt dieser Entwurf wunderbar in den momentanten Zeitgeist der CSU mit ihren Brandstiftern Söder und Seehofer. Wir hatten schon einmal eine Zeit, in der Freiheitsrechte eingeschränkt, die Polzei zu viele Rechte besaß und psychisch Kranke stigmatisiert wurden. Ging (zum Glück) nicht so gut aus, diese Epoche. Was Bayern und die CSU stärken soll, macht letzten Endes das eigentlich schöne Bundesland extrem unatraktiv um dort zu leben. Aber vielleicht ist genau das auch Gedanke dahinter. Bayern braucht und will keinen Zuwachs. Sollen alle hinter der Grenze oder in Preußen bleiben.

 

Es grüßt herzlich

Das Faultier

Zaun.jpeg

Blogverzeichnis Blogverzeichnis - Bloggerei.de